Dienstag, 4. September 2012
Früher, in der BRD da wär’ das nicht passiert!
Heute an der Nachbarkasse im Supermarkt mitten in Hamburgs schönem Stadtteil Altona. Der Wachmann hat den langweiligsten Job auf Erden. Seit dem er da steht - und das sind inzwischen mehrere Monate - wünsche ich ihm insgeheim jedes Mal wenn ich die Türe passiere, dass er bald einen Job findet, der besser ist für seine Gesundheit. Den ganzen Tag stehen tut auf Dauer nicht gut.
Während ich da an der Kasse stehe, braut sich nebenan ein Gewitter zusammen. Ich hoffe, die Frau die da brüllt: „Geh doch zurück nach Russland oder woher Du auch immer kommst!“, ist betrunken. (Angeheitert wäre hier wohl der falsche Ausdruck.)
Keiner reagiert, auch der Mann, der wohl gemeint ist antwortet nicht. Also gehen die Pöbeleien weiter. „Wo sind wir denn? Solche Leute wie Du gehören hier rausgeschmissen!“
Der Wachmann naht und zum ersten Mal sehe ich nicht nur den Migrationshintergrund sondern höre ihn auch. Mit Akzent, aber sehr bestimmt bittet er die Frau aufzuhören und droht sie aus dem Laden zu schmeißen. Als Antwort kommt: „Früher, in der BRD da wär’ das nicht passiert!“ Meine Kassiererin macht ziemlich deutlich, dass sie es lieber gesehen hätte, wenn der Wachmann nicht reagiert hätte. Ein Verkäufer naht um notfalls deeskalierend zwischen Wachmann und Kundin einzugreifen.
Irgendwie ist die Frau aber doch eingeschüchtert. Sie wettert zwar noch kurz gegen den Wachmann, doch dann dreht sie sich in meine Richtung. Unsere Augen treffen sich und ich im Gegensatz zu ihr halte ich stand. Sie sagt zu ihrem Begleiter, „Da ist noch so eine.“ Und ich frage mich, ob ich etwas zu mutig war. Jedenfalls bin ich froh schon bezahlt zu haben, während die beiden noch ein bisschen warten müssen.
Ich bin wahrscheinlich der friedliebendste Mensch in meinem gesamten Umfeld, aber es gibt genau ein Thema bei dem ich nicht anders kann als dagegen zu stehen - und das ist Rassismus. Ich vermute, das geht dem Wachmann genauso.
Wie gerne würde ich sagen, „früher, in der BRD wäre das nicht passiert!“, aber leider stimmt es nicht. Rostock Lichtenhagen war zwar gerade erst in die Demokratie geworfen, aber Mölln ist und war in Schleswig-Holstein. Es gibt jetzt Bestrebungen Diskriminierung auch im Privatrecht unter Strafe zu stellen. Eine schwieriges Unterfangen. Diskriminierung einfach so geschehen lassen ist aber auch nicht recht. Das war der Anfang, damals vor 20 Jahren, als Politiker verschiedenster (ehrbarer) Parteien dachten, sie könnten mithilfe von Diskriminierung die nächsten Wahlen gewinnen und deshalb die gefährlichen Wogen weiter wachsen ließen.
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